Was macht ein Spiel zum Spiel?

Ich bin zurzeit dabei Higurashi: When They Cry durchzuspielen und befinde mich gerade vor dem fünften Chapter. Doch der All-Cast-Review aus dem vierten Chapter machte mich kurz stutzig. Gegen Ende des All-Cast-Reviews teilt uns Rena folgendes mit:

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Wirklich, als ich das so gelesehen habe, war ich erstmal baff. In meine Kopf bestand nie die Frage, ob Higurashi oder ähnliche Werke als Spiele gelten. Ich muss diese Werke mit Maus und Tastatur an meinem Rechner genießen. Das machte sie automatisch zu Spielen für mich. Es fiel mehr jetzt sogar schwer, ein anderes Wort als  „spielen“ zu benutzen, um zu beschreiben, dass ich diese Werke ja konsumiert habe. Deswegen die Frage: Was macht ein Spiel zum Spiel?

Die Qualifikationen

Um herauszufinden, was ein Spiel nun wirklich ausmacht, hab ich mich erstmal auf ein ausgiebige Recherche begeben – Wikipedia! Dort bin ich auf folgende Definition gestoßen:

Ein Computerspiel oder Videospiel ist ein elektronisches Spiel, das durch Interaktion mit einer Benutzeroberfläche visuelles Feedback auf einem Videobildschirm, meist einem Fernsehgerät oder Computermonitor, generiert.

Ich muss sagen, diese Definition finde ich schon passend – für ein Computerspiel. Nur leider wird in dieser Definiton von einem Spiel geredet und das ist ja der eigentliche Knackpunkt. In dieser Definition wird ein Spiel einfach nur digitalisiert. Also wurde weitergesucht.

Spiel … ist eine Tätigkeitsform, Spielen eine Tätigkeit, die zum Vergnügen, zur Entspannung, allein aus Freude an ihrer Ausübung, aber auch als Beruf ausgeführt werden kann. Einem Spiel liegen oft ganz bestimmte Handlungsabläufe zugrunde, aus denen, besonders in Gemeinschaft, verbindliche Regeln hervorgehen können. Die konkreten Handlungsabläufe können sich sowohl aus der Art des Spiels selbst, den Spielregeln (Völkerball, Mensch ärgere Dich nicht), als auch aus dem Wunsch verschiedener Individuen ergeben, gemeinschaftlich zu handeln. Es gibt eine große Vielfalt von Spielen. Ihre Zahl ist nicht begrenzt und Spiele werden fortwährend neu erfunden und variiert.

Okay, versuchen wir mal auszuarbeiten, was diese Definition bedeutet. Der eigentliche Grund, warum wir Spiele spielen, ist ja ganz klar: Wir wollen uns vergnügen, entspannen oder einfach nur tätig sein. Aber um als Spiel klassifiziert zu werden, muss es bestimmte Handlungsabläufe geben. Also Regeln, die das komplette Spiel eingrenzen und einen Rahmen festlegen. Durch diesen Fakt ist es möglich, dass es eine schier unzählbare Anzahl an Spielen geben kann. Daraus folgt auch, dass Spiele jederzeit neu erfunden werden können.

Natürlich ist die genaue Definition eines Spieles eine weitere Wissenschaft, vor allem, wenn man versucht, Spiele in Arten zu unterteilen und ihrer Rolle in der Gesellschaft. Aber um den Rahmen hier nicht zu sprengen, habe ich mich auf die weiteste Definition bezogen.

Nun schauen wir mal, ob diese Definition auf Higurashi zutrifft:

Vergnügen und Entspannung? Check!
Handlungsabläufe und Regeln? Check!

Siehe da! Higurashi ist ein Spiel! Das war ja ein Musterbeispiel für ein clear-and-shut-Case, wenn ich je einen gesehen habe!

Aber natürlich ist es doch nicht so einfach. Die Kritik, dass man Higurashi doch eher als Buch sehen kann, ist schon noch valide. Vor allem, weil man laut Defintion für ein Spiel den Punkt Handlungsabläufe und Regeln in Frage stellen kann. Also schauen wir uns doch mal ein paar vergleichbare Werke an!

Spiel oder kein Spiel, das ist die Frage!

Das erste Werk, welches mir in dem Kopf kam, war National Park Girls. National Park Girls ist auch eine lineare Visual Novel, sogar noch mehr als Higurashi. Also könnte man hier genauso gut argumentieren, dass wir eher von einem Buch als von einem Spiel reden. Die jetzigen Indizien weisen also darauf hin, dass man lineare Visual Novels doch eher als Buch bezeichnen könnte. Aber lasst uns mal weiterschauen!

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Wir brauchen also eine Visual Novel, die sich abhebt und die die Regeln verändert und modifiziert. Da fallen mir doch direkt zwei ein! Unsere allzeitbeliebte Barkeeperin Jill aus VA-11 Hall-A und unser Barista aus Coffee Talk. Beide Visual Novels haben besondere Spielelemente, die sie von anderen Visual Novels abhebt. In beiden Spielen besitzt man die Verantwortung, die Getränke vorzubereiten und verändert dadurch die Story oder wenigstens das Ending. Wir werden mit Regeln und Handlungsabläufen konfrontiert und müssen uns an diese halten. Wir können also ein paar Entscheidungen treffen, die das Ende verändern. Ich kenne da doch auch so eine Buchart – Choose-Your-Own-Adventure-Bücher. Hier kann man auch durch Entscheidungen die Story verändern. Wir sind also noch keinen Schritt weiter gekommen. Also weitergesucht!

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Das nächste Werk, auf das man kommen könnte, wäre Danganronpa. Beispielhaft nehme ich hier jetzt mal Danganronpa V3. Es ist ohne Zweifel eine lineare Visual Novel. Es gibt keine Möglichkeit, wie man die Story beeinflussen könnte. Doch auch hier unterscheidet sich Danganronpa durch sein Gameplay. Man muss selber alle Hinweise auf den Mord finden, alles selber deduzieren, um am Ende in der Story weiterzukommen. Dieses Deduzieren passiert durch Minispiele. Einige meiner Freunde sind auch so weit gegangen und haben Danganronpa schon nicht mehr als eine Visual Novel bezeichnet, sondern als ein Spiel mit Visual-Novel-Elementen. Schießen wir also mit Danganronpa über unser Ziel hinaus? Ein weiteres Spiel habe ich aber noch, um diese Brücke der Welten zu schließen.

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Das letzte Werk, welches ich vorbereitet habe, wäre Some Some Convenience Store. Wir sind der Manager eines Convenience Store und je nachdem, wie wir unseren Laden führen, haben wir die Möglichkeit unsere verschiedenen Mädchen zu einem Date einzuladen. Wenn wir unseren Laden nicht vernünftig führen, bleiben uns manche Chancen verwehrt, eines der Mädchen auszuführen. Durch kluges Handeln via diversen Spielelementen, können wir die verschiedenen Routen bestimmen. Also haben wir hier jetzt unser Ziel erreicht? Eine Visual Novel, welche die Brücke zwischen einem Buch und einem Spiel baut? Eine Visual Novel, die man wirklich ohne jeglichen Zweifel als Spiel bezeichnen kann?

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Schlusswort

Ganz viele Visual Novels, alle mit verschiedenen Elementen. Doch bei welcher Visual Novel sagt man jetzt, ob es ein Spiel ist oder nicht. Ist es überhaupt wichtig, ob ein Werk als Spiel gesehen werden kann oder nicht? Oder ist ein Werk ein Spiel, wenn der Autor des Werkes diese Entscheidung trifft?

Wir haben nun gelernt: Spiele gibt es in schier unzählbaren Varianten. Doch zählt Higurashi nun als Spiel? Higurashi macht etwas ganz Besonderes. Das Werk begrenzt sich nicht nur auf das eigentliche Vergnügen am Lesen, sondern auch um das Spekulieren über die Story. Es macht unglaublichen Spaß, sich mit anderen über diese Story zu unterhalten, Gedanken und Ideen auszutauschen. Und das “Spiel” hier besteht daraus, die richtige Theorie herauszufinden. Und das ist eine Art von Spiel, die ich so, in meiner gesamten Karriere als Videospielconnoisseur, noch nie gesehen habe.

Das macht meiner Meinung nach Higurashi zu einem Spiel. Und das ist eigentlich auch, worauf es am Ende ankommt: die eigene Meinung. Jeder nimmt Werke anders wahr und definiert sein eigenes Vergnügen anders.

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